Neulich…

19. Dezember 2021

… im Märchenland.

Erster Teil:


Eine völlig frei erfundene Geschichte.*


Es war einmal. An einem Sommermorgen. Wobei. Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen. Es war jedenfalls ein Tag im Sommer. Hell war es schon eine Weile. Es herrschte bereits geschäftiges Treiben auf den Straßen und in den Gassen dieses kleinen verschlafenen Örtchens am Rande des Königreichs. Ruhig ist es hier. Und war es. Schon immer. Die Bewohner des kleinen verschlafenen Örtchens mögen es so. Sie sind es so gewohnt. Und was sie gewohnt sind, finden sie gut. Alles andere betrachten sie mit Argwohn. Veränderung? Teufelszeug! Mistgabel und Fackel immer in Griffnähe. Man weiß ja nie, was „die da oben“ im Königshaus sich als nächstes ausdenken, um die Untertanen zu gängeln… So hatten die Bewohner des kleinen verschlafenen Örtchens Ihre Herrscher ganz gut in den Griff bekommen. Seit Jahrhunderten gab es keine Veränderungen mehr, und auch damals konnte nur gegen den härtesten Widerstand das (seinerzeit neue und aufsehenerregende) Verbot durchgesetzt werden, in die Gassen des kleinen verschlafenen Örtchens zu kacken. 


Es gab viele Tote. 


Eine heimliche und im selbstgewählten Untergrund agierende Widerstandsbewegung, die sich in der Tradition edler Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit sieht (da sind sie jedoch die Einzigen, die sich so wahrnehmen) hinterlässt noch ab und an, im Schutze der Nacht, an symbolträchtigen Orten ein paar deftige Haufen. Die braven Bürger, die sich inzwischen an ihr Abort gewöhnt haben, treten dort hinein. Und manch einer, sagt man, sehnt sich dann nach der guten alten Zeit. Die meisten sind inzwischen aber einfach nur angewidert und genervt, weil die Widerstandskämpfer dazu noch eine so wahnsinnig widerwärtig-abstoßende Duftnote haben…


Aber darum geht es in dieser Geschichte nicht.


Es geht um diesen Morgen (ich lege mich da jetzt fest) an einem schönen Sommertag.


Der Vogt, schneidig**, wortgewandt** und von untadeligem Ruf**, dabei im Auftritt stets angemessen zurückhaltend** war auf dem Weg in sein Kontor, seit Neuestem in herrschaftlicher Lage am besten Platz des kleinen verschlafenen Örtchens. Dort, schon aufgrund der Umgebung, herrschte eine Aura geballter Kompetenz** und konzentrierten Sachverstandes.** Sein eigenes Ross (Haflinger Rotfuchs) war auf ausgedehnter Kur. Um alte Gebrechen zu lindern und gestärkt zurückzukehren. Dem Vogt zur Verfügung stand ein Rappe, etwas merkwürdig anzusehen. Bullig wirkte der. Die Beine kurz und auf eigenartige Art und Weise weiter außen angewachsen, als üblich. Außerdem grunzte er beim Losreiten immer laut auf und schielte leicht. Die hinteren Hufeisen leicht abgenutzt, ein Holzspan hatte sich dazwischen verhakt. Aber eigentlich war es ein gutmütiges und ganz und gar zahmes Pferd, das einfach nur von einem Ort zum Anderen reiten wollte.


Aber es fiel auf unter all den anderen, beliebig aussehenden Pferden und Fuhrwerken, welche auf den Straßen des Königreichs und ganz besonders des kleinen verschlafenen Örtchens unterwegs waren.


So fiel es auch den beiden Hofnarren auf, welche - aufgrund einer Verwechslung in den königlichen Amtsstuben - mit umfangreichen Befugnissen ihrer Majestät ausgestattet waren, was eigentlich den Adeligen oder wenigstens jenen, die Lesen und Schreiben konnten, vorbehalten war. Von diesen weitreichenden Befugnissen machten sie reichlich Gebrauch, wenn sie in ihrer bunten Kutsche, welche im Dunklen sogar leuchten konnte, nach - wie sie es nannten - Absonderlichkeiten Ausschau hielten.


An jenem Morgen also, als der Vogt auf dem zu breit und etwas zu kurz geratenen Pferd durch die Straßen und Gassen ritt, bemerkte er die Hofnarren. Sie hatten ihn allerdings zuerst bemerkt. Sie trieben die eigenen Pferde - gezüchtet in der Region und, vermutlich aufgrund der inzwischen mangelnden genetischen Vielfalt, bekannt für starke Verdauungsprobleme - an, um ihre bunte Kutsche (sie war früher in waldesähnlichem Grün gehalten, mittlerweile, weil moderner und ein Trend unter den Adeligen, zu welchen die Hofnarren sich zählen wollten, in Königsblau und auffälligem Gelb) in die Nähe des dahinreitenden Vogts zu bringen. Die anderen Reiter und Fuhrwerke waren ihnen egal, sie - so ihre tiefe Überzeugung - brauchten keine Rücksicht zu nehmen. Immerhin war ihre Kutsche bunt. Auch den Kreuzungswächter, der ihnen haltgebietend sein Hinterteil zuwandte, durften sie nach ihrer Überzeugung ignorieren. Man gehorchte ihnen. Nicht andersherum.


Dem Vogt kamen sie immer näher um schließlich direkt hinter ihm eine Fackel zu entzünden und umherzuschwenken. Der Vogt wusste, es bedeutete dies allen Untertanen, baldestmöglich anzuhalten.


Wie ihm befohlen, tat der Vogt… 


(Fortsetzung folgt)


*jede Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Personen und Orten oder mit realen Ereignissen ist rein zufällig, nicht gewollt und überhaupt nur Einbildung


** siehe *

Share by: